Überleben im Arlberg-Winter – (k)eine neue Erfahrung!

Liebe Möchtegern-Gäste von Stuben bis Schröcken…

treffender kann man ich kaum meinen gegenwärtigen Gemüts-Zustand, aber sicher auch  die Gedanken vieler Stamm-Gästen beschreiben, wenn die moderne Kommunikationstechnik vor Augen führt, was uns fehlt: gern würden wir die vertrauten und doch immer wieder reizvollen Hänge hinabschwingen oder hinaufsteigen, wenn nur Corona nicht wäre….

Wir alle haben wohl dieselben Gedanken, wenn uns dank Internet, Webcam und Smartphone-Videos die Bilder der tief verschneiten Hänge und Gipfel zwischen Albona und Steffisalpe und rund um Rüfikopf und Kriegerhorn erreichen! Und dazu noch leere Pisten wohin man schaut….so wie man sich es eigentlich schon immer mal gewünscht hat.

Und  Schnee… kalt genug für Pulverschnee, und davon reichlich…eigentlich ideale Bedingungen fürManharts “Arlberg-Jet”, aber Beschneien- wozu!? Das Geld können die Liftgesellschaften sich derzeit sparen…gebraucht wird es ohnehin dringend angesichts geplanter Bauvorhaben nach dem ganzen Corona-Desaster!

Eigentlich trotz “Greta” und Klimakrise ein Ski-Winter, wie er sein soll! Sogar die Verkehrsbedingungen waren mal wieder so, wie man es eigentlich in den vergangenen Jahren fast vergessen hatte:
Zwar nicht jedermanns Freude aus einheimischer Sicht, aber irgendwie zumindest für uns „Gäste der frühen Arlberg-Jahre“ jeden Winter einige Male fast schon eine lieb gewordene Tradition: Weder vom Lechtal über Steeg und Warth noch von Bregenzer Wald und Bödele aus waren Hochtannberg und Lech/Zürs erreichbar, und auf der anderen Seite war sogar die Klostertalstraße in Richtung Langen, Stuben und Alpe Rauz zuweilen durch  drohende oder vorausgegangene  Lawinenabgänge gesperrt. Auch per Bahn ging in diesem Winter 2020/21 zuweilen gar nichts. Ab Landeck alles dicht…….Also „Back to the roots“ in 2021?

Und da erinnert man sich schnell an jene Winterwochen, als am Wochenende “der Pass zuging” und wir gerade die erste Woche des Urlaubs hinter uns hatten. Die Abreisenden saßen auf gepackten Koffern “zwischen allen Stühlen”, denn die Zimmer mussten ja für die “drohenden” Anreisen wieder auf Vordermann gebracht werden.
Wir Zurückgebliebenen hatten den Nutzen davon: Die neuen Gäste noch irgendwo im Anmarsch am Anfang der Flexenstraße, in Langen, Stuben oder St.Anton – die “Alten” auf gepackten Koffern in irgendwelchen Hotel-Hallen..und wir auf wunderbar leeren Hängen! Und dazwischen einige nervöse “Geschäftsreisende”, deren heimliches Skiwochenende unversehens ins Blickfeld von Ehefrauen oder anderen Kontrollinstanzen zu geraten drohte! Ganz dramatisch wurde es dann zuweilen gegen Abend für diejenigen, die sich besonders schlau fanden und den Abreisetag noch  zum Skifahren genutzt hatten (weil zum Beispiel die Bahnverbindung ab Langen erst gegen Abend geplant war) Sie erfuhren dann bei ihrer Rückkehr zuweilen von einer unerwarteten Pass-Sperre!  Da war guter Rat dann teuer in des Wortes wahrer Bedeutung, denn wie durch ein Wunder waren dann nur noch Hotelbetten der obersten Preiskategorie verfügbar!
Wunder -wieso eigentlich “Wunder”? Der britische Nationalökonom Adam Smith hatte das schon im 18.Jahrhundert die “invisible hand (=unsichtbare Hand)” des Marktes genannt – ein Zustand, in welchem jeder seine eigenen Interessen verfolgt und dabei dennoch ein für alle vorteilhaftes Ergebnis herbeiführt! Im vorliegenden Beispiel: Der Reisende hatte ein Bett, und der Hotelier ein volles Haus! Nur in die Preise war ein wenig Bewegung gekommen….

Unwillkürlich kommt mir nach mehr als 50 Jahren am Arlberg  zuweilen  in den Sinn, dass diese winterliche Abgeschiedenheit, die wir hier und da tageweise erlebt haben, für frühere Bewohner der Region die alltägliche Lebensweise entscheidend geprägt haben muss!  Vorausschau gehörte zu jener Zeit wohl zu den elementaren Existzenzgrundlagen, und Einsamkeit wurde zur Normalität, wenn verschneite Berge über Wochen und Monate ein unüberwindliches Hindernis für ausgedehnte Fortbewegung bildeten. Und genau von einer solchen  Situation erzählt jene kuriose Geschichte, die bis zum heutigen Tag zuweilen in traditionsbewußten Familien am Tannberg mit einem leichten Schmunzeln vor allem dem staunenden kindlichen Nachwuchs erzählt wird und die zugleich die Lebensverhältnisse früherer Jahrzehnte treffend widerspiegelt.

Die meisten von uns kennen die Alpe Bürstegg hoch oben zwischen Lech und Warth, vor dem felsigen Hintergrund des “Bieberkopf” mit ihrer kleinen Kapelle “St.Martin” –  heute nur noch im Sommer bewohnt von einer einzigen Familie, die dort die Tradition der Alpwirtschaft am Leben hält und die dem durstigen Wanderer eine Brettl-Jause präsentiert und ein kühles Bier oder was sonst so zur zünftigen Mittagspause in luftiger Höhe gehört.

Wer hier dauerhaft überleben wollte -und das war früher immerhin eine Handvoll Bauersfamilien- , der musste sich im Herbst mit allem Nötigen versehen, was man den langen Winter über brauchen würde. Schon frühzeitig liegt in den Bergen zwischen Lech und Warth und rings ums Karhorn meterhoher Schnee, und eine Wanderung ins Tal wird dann jedes Jahr bald zur Unmöglichkeit. Jedoch trotz (oder wegen?) ihrer Weltabgeschiedenheit -so wird erzählt-  hausten diese Bergbauern glücklich und in Eintracht, teilten Freud und Leid miteinander und lebten nach dem Spruch: Bete und arbeite. Und vorausschauend dachte man nicht nur an Heu fürs Vieh, Salz,Mehl,Speck und Kartoffeln und sonstige alltägliche Dinge (bei der Milch war man immerhin “Selbstversorger”!) , sondern -so wie das Leben nun halt ist -auch für einen Sarg wurde gesorgt – man wusste ja nicht, was die nächsten Monate so bringen würden. Und so kam es – wie die mündlichen Überlieferungen erzählen-, dass der “Seppelbauer” aus Bürstegg nach des Tages Arbeit am Abend fleißig an zwei Särgen zimmerte und sie schließlich auf dem Dachboden verwahrte.

.„Den einen Sarg nehme grad ich in Beschlag” sagtedie Bäuerin, „einen Trog für das Dörrobst habe ich sowieso einen viel zu kleinen, und in so einen Sarg geht viel hinein.“ 

Jedoch: Mitten im Winter starb das Hannesle (Johannes), ein steinaltes Männlein, man hatte es auf dem Hof schon als Hirtenbub angestellt, und zuletzt ist es halt inzwischen verkalkt geworden und zu nichts mehr zu gebrauchen als zum Kinderhüten. Während man in der Stube für die arme Seele betete, holt der Bauer wahllos einen der beiden Särge – der andere ist voller Dörrobst gewesen – in die Kammer herab, und er und der Nachbar legen das Männlein hinein und tragen es wieder auf den Dachboden hinauf. 

„Morgen kann man es wagen mit dem Hannesle“, sagt der Bauer eines Tages, als es wieder möglich schien, nach Lech zum Friedhof hinab zu kommen. Am anderen Tag, in aller Gottesfrühe, holte man den Sarg vom Dachboden herab und band mit einem Seil eine lange Stange drum herum. Der Bauer hat vorne und der Nachbar hinten getragen, und so sind sie mit ihm fort.
Bis dass die Männer wieder heimkommen, will ihnen die Bäuerin etwas recht Gutes kochen, ausgewalkte Küchlein (Anm.d.Verf.:”auf einem gefetteten Blech ausgerollter Teig”)  und gedörrte Schnitze dazu. So geht sie denn auf den Dachboden, um das Dörrobst zu holen und will vom verbliebenen Sarg den Deckel aufheben. Dazu  holt sie das Beil und stemmt mit ihm in die Lücke hinein. Daraufhin ist der Deckel aufgesprungen; aber die Bäuerin auch! Mit einem Schrei, daß groß und klein hergesprungen ist, um zu schauen, was etwa für ein Unglück geschehen sei. — Die Männer waren anstatt mit dem Leichnam mit dem Dörrobst nach Lech hinab und hatten wohl dort das Dörrobst vergraben.(erzählt nach einer Internetquelle http://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/vorarlberg/tannberg/saerge.htm)

Was dann mit dem verbliebenen Hannesle in Bürstegg geschehen ist, wurde vorsorglich nicht überliefert.

Inzwischen dauert die winterliche Abgeschiedenheit in der Regel nur ein paar Tage, von der selbstgewählten Einsamkeit der Berta Ploner im Älpele bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts einmal ab gesehen. (An an derer Stelle in diesem Blog gibt über Berta Ploner, die “Kräuterehexe von Zug” ein wenig mehr zu lesen.) An eine Woche “Zwangsaufenthalt” in Oberlech kann ich mich erinnern – die Pass-Sperre war für mich genau rechtzeitig am Wocheenende eingetreten. Ich hatte das Ziel erreicht und die anderen blieben im Tal.Mehr aber war es wohl nie.

Ja, und als dann auch im jetzigen Winter 2020/21  die Verkehrsverhältnisse sich schließlich wieder einmal normalisiert hatten, da knallte es in Lech am 23.2.2021 nachts so gegen 1 Uhr- dreimal laut und vernehmlich, und die Verbindung zwischen Lech und Zürs war erneut unterbrochen. Diesmal aber kein Routinefall, sondern ein Vorgang mit zunächst unübersehbaren Folgen! 

Das Biomasse-Heizkraftwerk in der Pfurra (so heisst in der Lecher Tradition die Talenge des Zürsbachs kurz vor dem Ortseingang Lech) stand seit etwas 1 Uhr in der Nacht „in Vollbrand“ (O-Ton Feuerwehr Lech)

die Nacht,,,,,

…und der Tag danach;

Damit -so schien es auf den ersten Blick nd während der ersten Stunden des neuen Tages-  war mit einem Schlag die Beheizung und Warmwasser-Versorgung von rd. 90% aller Lecher Häuser in Frage gestellt, und  eines der unbestrittenen Verdienste von Ludwig Muxel -bis vor etwa 5 Wochen Bürgermeister und nach 27 Jahren umplanmäßig aus dem Amt geschieden- stand in hellen Flammen.Man könnte es beinahe makaber finden…

Aber manchmal hat so ein “Corona-lockdown” auch was Gutes:
Die Hotels -so sie denn jetzt „kalt“ stehen mussten-  waren leer….und keiner würde frieren müssen…

Aber: Was bringen die nächsten Wochen? Wie groß ist der Schaden für die Gemeinde und die einzelen Betriebe – kurzfristig? Langfristig? Gibt es einen Plan B?

Vom neuen Bürgermeister Stefan Jochum kamen bald tröstlich Mitteilungen: Die Energieversorgung (damit meint er wohl Heiz-Wärme und Warmwasser) sollte nach ersten Untersuchungen noch am Abend  wieder hergestellt sein.

Interessant in diesem Zusammenhang: die (offenbar redaktionell unkontrollierten) ersten Kommentare auf www.Vol.at :   Voller Neid, Häme und Missgunst ….  Unerfreulich, aufschlussreich und stil- und niveaulos zugleich!

Ich bleibe am Ball.    Ekkehard “Ekki” Bechler

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