Freeriding-gestern und heute

 

Liebe Arlberg-Freunde und Leser meiner Blog-Seiten,

ich habe mich zuletzt gemeldet nach dem Besuch des Lecher Stammgäste-Treffens, welches mit dem Vorarlberger Musikfest einherging und mit einer Ehrung der zur Zeit wohl prominentesten Lecher Skifahrerin: Lorraine Huber, die international derzeit wohl konkurrenzlos durch den Schnee wirbelt….

Zeitlich passend dazu wurde jetzt in dieser Woche das 23. St.Antoner Filmfest eröffnet, in dessen Mittelpunkt –so viel war klar- beeindruckende Aufnahmen von sportlichen Extremleistungen beim Bergsteigen und Freeriding stehen würden.

Dass auch hier Lorraine Huber mit ihren jüngsten sportlichen Erfolgen im Mittelpunkt stehen würde, konnte nicht überraschen. Beeindruckend wie ihr Skifahren war aber auch das filmische Kunstwerk, welches von Hanno Mackowitz zusammen mit Lorraine Huber vor diesem Hintergrund geschaffen wurde. 9 Minuten andächtiges Schweigen und eine gehörige Portion Gänsehaut ergreifen wohl die meisten von uns, die sich im Internet den atemberaubenden Bildern und der einfühlsamen Musik hingeben…… freeriding at its best!!

Alles übrigens Bilder nicht aus den Rockies oder anderen fernen Regionen, sondern aus Zürs und Stuben….

Der begleitende Kommentar zu diesem Film spricht für sich:

Deep snow, untracked slopes, classical music and a gifted skier. With his film ‘Lorraine’, Austrian film maker Hanno Mackowitz gives us something which in today’s society is increasingly speeding up and running away from us: time. Time to become consciously aware of the breathtaking scenery of snowcapped mountains, to discover details and the precision of a skier’s turn, and time to breathe. Nothing distracts the eye from the aesthetics of the images and dynamics of the snow, or the loneliness and devotion of the freerider Lorraine Huber. Not a single word.

Dass die Faszination der Berge und des schwerelosen Schwebens über verschneite Steilhängen auch eine zweite gefährliche Dimension kennen, ist den Akteuren dieses Sports  zweifellos bewusst. Sie bekennen sich dazu als Teil ihrer Welt.
Die einfühlsamen Worte von Lorraine Huber zum Tod ihrer Freundin und Konkurrentin  Matilda Rapaport sprechen eine eindeutige Sprache. Sie sind ein Bekenntnis zu einer Lebensform!

Wenn ich auf die vergangenen 50 Jahre auf den Arlberg-Pisten zurückblicke und diese Bilder sehe, so will es mir scheinen, als sei das zunehmende Interesse für diese extreme Variante des Skisports Teil eines  „back to the roots“ der skiing community : Weg von den übervölkerten und gebügelten Pisten und hin zu den unberührten Hängen, die dabei oft nur wenige Meter neben den traditionellen Abfahrten zu finden sind!

Ich kenne in der Tat Stellen im Mohnenfluh-Bereich, da braucht es nur einen Schwung nach links statt nach rechts- und die Piste ist ausser Sicht, das Doppelmayr-Klappern verklingt und man ist alleine mit sich und der Natur, und auch eine eher begrenzte Tiefschnee-Kompetenz reicht aus, um den Zauber eines unverspurten Hangs zu erleben, ohne allzu große Risiken für sich und andere einzugehen. Dass man sich auf ausgedehnteren Touren dann einem erfahrenen Führer anvertraut, ist für jeden von uns wohl selbstverständlich.

Die Snowboarder haben mit ihren teilweise halsbrecherishen Aktionen im freien Gelände sicher teilweise zu diesem Trend beigetragen, und Neid, Bewunderung und Interesse, zum Teil aber auch Kopfschütteln ausgelöst mit ihrem spektakulären Befahren gefährdeter und exponierter Hänge. Da mag wohl die Tatsache im Spiel sein, das man als Snowboarder – wenn man`s denn erst einmal kann- vielleicht eher geneigt ist, die höhere „Tragfähigkeit“ der „Bügelbretter“ im Tiefschnee zu genießen, auch wenn die alpinistische Erfahrung in der Einschätzung vonTiefschnee-Hängen fehlt. Aber ganz ehrlich: Ein wenig Neid kommt da schon auf….auch bei mir!

Die Skischulen haben diesen Trend zum Geländefahren offenbar erkannt und dabei an Traditionen angeknüpft, die in die Frühzeit des Arlberger Skilaufs zurückführen. Dabei war es in der Vergangenheit oft weniger ein Vergnügen als die reine Notwendigkeit, ein Fortbewegungsmittel im tiefen Schnee zu finden.
Wohl der erste Vertreter des frühen Skifahrens im freien Gelände dürfte der Warther Pfarrer Johann Müller gewesen sein,der vermutlich als erster die Ski als praktisches Fortbewegungsmittel für den schneereichen Tannberg erkannte. Er fuhr als Erster auf Ski von Warth nach Lech und brachte damit das Skifahren in die Region.

Er hatte –so wird berichtet-  die Neuheit in einer Zeitschrift entdeckt: Die Menschen in Norwegen und Schweden konnten sich dank Ski selbst bei zwei Meter Schnee und mehr durchaus gut fortbewegen. Diese Bretter wären für den Tannberg auch sehr praktisch, dachte Hochwürden Müller und bestellte sich ein Paar. Welch eine Sensation, als er sie schließlich in Händen hielt: „Damals hatte noch kein Mensch auf Tannbergs Höhen und nur wenige im Ländle von Ski  gehört, oder gar einen solchen gesehen“, berichtete Pfarrer Müller. Doch wie sollte er diese neuartigen Holzlatten benutzen? Dem Bild in der Zeitschrift entnahm Hochwürden, dass die Bretter an die Schuhe geschnallt werden und dass ein langer Stock zum Laufen benutzt wird.

Er hat später berichtet:
„Ich wartete bis Abends, um nicht gesehen und ausgelacht zu werden, und versuchte im großen Neuschnee des Pfarrwidums (hochdeutsch: Pfarrgut, Pfarrhof) mein Glück. Doch – da lag ich schon im Schnee, und so immer wieder bis gegen Mitternacht.“ Die Wurzel des Übels: Pfarrer Müller verwendete die Ski anfangs wie Schlittschuhe; er rutschte erst mit dem einen, dann mit dem anderen Fuß vor. Am übernächsten Tag jedoch hatte er den Bogen heraus und machte sich auf den Weg nach Lech. Trotz einiger Stürze war das eindeutige Urteil: Das wäre etwas Praktisches für den Tannberg.“ Der Skipionier vom Tannberg fuhr später mit seinen „Schwedischen“ noch oft nach Lech sowie nach Hochkrumbach und Schröcken. Bald fand er Nachahmer, vor allem bei den Schulbuben, die aus Fassdauben einfache Ski herstellten und sich im Schneereich gut fortbewegen konnten .

In Erinnerung an diesen „Freerider der ersten Stunde“ bietet die Region Warth-Schröcken ambitionierten Variantenfahrern mit Geschichtsinteresse eine der schönsten Freeride-Touren der Alpen: die Pfarrer-Müller-Tour. Auf der erlebnisreichen Freeride-Rundtour führen erfahrene Skiguides durch eine der naturschneereichsten Skiregionen Europas – von Warth über Lech nach Schröcken…und wer sic auch im Tiefschnee halbwegs sicher bewegen kann, für den ist diese Tour wohl durchaus zu bewältigen….

Seitdem ich das weiß, geht`s mir nicht aus dem Kopf, denn: Der nächste Winter kommt bestimmt.

 

Zum Schluss meines heutigen Kommentars zum Skifahren an Arlberg eine Anmerkung in eigener Sache: Ich habe in den vergangenen Wochen von zahlreichen offiziellen und privaten Seiten Informationen, Unterstützung und Hinweise erhalten (leider trotz mehrfacher Anfragen nie vom Skiclub Arlberg!), dass ich mich nun doch endgültig entschlossen habe, das gesammelten Material, die Ideen und Beobachtung in die Form eines zusammenhängenden Textes (man könnte auch „Buch“ dazu sagen!) über „Lifte und Leute am Arlberg“ zu bringen. Dazu ist noch viel zu tun – um so mehr freue ich mich über jeden Kommentar, Hinweis und Vorschlag aus dem Kreis meiner Leser.

 Bis zum nächsten Mal

 Euer Ekkehard „Ekki“ Bechler

 24.8.2017

 

Ein Gedanke zu „Freeriding-gestern und heute

  • 31. August 2017 um 9:17
    Permalink

    Es ist eine prima, lobenswerte und schriftstellerische Sache, all die schönen Erinnerungen an den
    Arlberg in diesen Erzählungen zusammenzufassen – alle Achtung. Jeder Anhänger des österreichischen
    Skistils, der zugleich auch noch im schönsten Skigebiet (sehr subjektiv) sich aufhalten darf, genießt
    die Berichte von schönen Erlebnissen mit Höhen und Tiefen.
    Lieber Ekki, mach weiter so!

    Antwort

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