Menschen am Arlberg(3) Traudl Schmittner – die unvergessene Oberlecher Versorgungsstation

Liebe Arlberger,

die Leser meines ersten Blog-Beitrags werden sich vielleicht erinnern:

Immer wenn irgendwo unvermutet Lebenszeichen in den Bergen sichtbar werden, erwacht mein Interesse. So war es gewesen, als ich die erste Oberlech-Gondel zu später Stunde erblickte und so war es auch oft in späterer Zeit. Dabei war mir schnell klar geworden: ohne einige elementare Grundvoraussetzungen ist menschliches Leben auch in den Bergen nun mal nicht möglich. In anspruchsvoller Umgebung spricht man heute in diesem Zusammenhang zuweilen von der „Infrastruktur“ einer Gemeinschaft….;-))

Monate, ja man kann sagen „Jahre“ später, als ich mit den örtlichen Gegebenheiten am Arlberg zunehmend vertraut geworden war, erhielt ich dann auch einen wachsenden Einblick in das, was sich dort als „Infrastruktur“ entwickelt hatte – gemeint sind damit die unsichtbaren, scheinbar nebensächlichen und doch so unverzichtbaren „Kleinigkeiten“, die das Leben in einer Region überhaupt erst lebenswert machen….

Zu dieser „Infrastruktur“ gehörte in Lech über lange Jahre hinweg eine Frau, die aus heutiger Sicht eigentlich schon eher als „Institution“ zu bezeichnen ist:  Waltraud „Traudl“ Schmittner in Oberlech!

Ich kann mich an kaum einen Skitag erinnern, der -soweit er eine Fahrt mit der Oberlech-Bahn einschloss- nicht einen kurzen Blick auf die heimliche „Versorgungszentrale“ der Oberlecher Ski-Gemeinde mit sich gebracht hätte…sei es für die Hamburger Tageszeitung, die sie mir stets reservierte, oder für ein süßes Mitbringsel für Sohn oder Tochter, die den Tag im Skikurs verbracht hatten.

Da gab es wahrhaftig alles, was man während seines Urlaubs in der Oberlecher Skiregion zur Befriedigung der elementaren menschlichen Grundbedürfnisse „möglicherweise, unter Umständen und vielleicht“ hätte benötigen konnte…auf engstem Raum, unter Ausnutzung aller Ecken und Winkel jenes winzigen kleinen Verkaufskiosks in der Oberlecher Bergstation , fand sich einfach alles …nicht mehr und nicht weniger! (Es wird  berichtet, dass gegen Ende bei der Auflösung ihrer Vorräte die Oberlecher Schulkinder unentgeltlich mit Süssigkeitenund so weiter versorgt wurden, um der massenhaften Lagerhaltung Herr zu werden…)

Eine nette Begebenheit, an die ich mich gern erinnere, mag kennzeichnend sein für das Allround-Angebot in Traudl Schmittners „Supermarkt“

Irgendetwas aus dem vorübergehenden Spielwarendepot unserer Kinder war „zuhause“ in der Pension Astoria zu Bruch gegangen – es war so kurz vor 18 Uhr und allmählich sollte eigentlich der Feierabend eingeläutet werden bei Tafelspitz und Veltliner.
Es war wohl mein 11-oder 12jährger Sohn, der die glorreiche Idee hatte, dass man doch das zerbrochene Spielzeug noch reparieren könne – und die Lösung lag nach seiner Meinung auf der Hand: Sekundenkleber!

Und nun mach mal einer einem 11jährigen Knaben klar, dass so etwas in 1800m Höhe zu den eher seltenen Fundstücken gehört! Aber auch hierfür war die Lösung (zumindest für ihn) schnell gefunen: Es ist noch kurz vor 6 Uhr – Frau Schmittner ist doch bestimmt noch da! Oder?

Es gelang weder meiner pädagogisch geschulten Ehefrau noch meiner auf strenge Logik ausgerichteten Argumentation, ihn davon abzubringen, bei Frau Schmittner einen eiligen Versuch zu starten.

Als „Zahlmeister“ musste ich ihn natürlich begleiten und mit schamhaft gesenktem Blick ob des scheinbar unsinnigen Unterfangens wagte ich dann nach kurzem Zögern die Frage nach dem Objekt der Begierde!

„Sekundenkleber brauchen`s, Herr Bechler?! Ja, was soll`s denn sein: UHU oder Loctite…….“  

Der Abend war gelaufen……sicherlich für meinen Sohn, aber für mich auch!

Ähnlich ging es mir bei anderer Gelegenheit mit einem Ersatzglas für meine (durchaus betagte) Skibrille! Sporthaus Strolz: Fehlanzeige, Pfefferkorns Sportgeschäft: ebenso.

Naja , das wars dann wohl, dachte ich und hielt schon Ausschau nach einer preiswerten Ersatzbeschaffung, aber halt…Frau Schmittner! ……..Na ja, den Rest könnt Ihr erraten!

Und dass sie als Auslieferungslager und Annahmestelle für Reinigung, Wäscherei und dergleichen aus dem Klostertal fungierte, war dann eigentlich nur noch Nebensache – ebenso wie die abendliche Verpflegung des in Oberlech untergebrachten Liftpersonals. Na ja, und dass sie der Liebling der ganz kleinen Fahrgäste war, das versteht sich von selbst.. So zum Beispiel meine Tochter Swantje mit etwa 3 1/2 Jahren……

 

 

Wie das alles gekommen war, erzählt die Tocher Gabi

die zuvor lange Zeit in der Lecher Gemeindeverwaltung tätig war und dann  das Erbe ihrer Mutter angetreten hatte:

„Meine Mama war ja schon als Kind Verkäuferin mit Leib und Seele. Zu Hause in Bludenz, wo ihre Eltern ein Betonwarengeschäft hatten, war der Hof Ihr Verkaufslädile!!!

Mein Vater bekam im Jahre 1959 eine Stellung bei der Bergbahn Lech-Oberlech und meine Mutter und ich kamen ein Jahr später nach.  Mama war dann ein paar Jahre im Kaufhaus Filomena in Lech und als man ihr dann den Kiosk in Oberlech anbot, war die Freude sehr groß. Erst war er ja etwas kleiner auf der gegenüberliegenden Seite und sie war zugleich die einzige Bergstationswärterin. Sogar Robert Lembke wollte sie bei WAS BIN ICH einladen.

 

Und wie bekannt ist, gab es im Kiosk Schmittner fast ALLES, von der Stecknadel bis zum Heuhaufen ,und das auf engstem Raum. Groß und Klein, Prominente und Adelige, alle bediente sie mit viel Humor und Freude. Man nannte den Kiosk auch gerne Klein-Filomena.

Da die Arbeit immer mehr wurde, habe ich dann im Jahre 1988 meine Stelle beim Gemeindeamt Lech aufgegeben und die letzten 6 Winter meine Mama unterstützt. Auch ich hatte viel Freude und Spaß im Kiosk. Mama hatte den Kiosk 27 Jahre. Ende April 1994 gingen dann meine Eltern in Pension und zogen wieder in ihre Heimatstadt Bludenz, wo mein Vater leider nur 2 Jahre den Ruhestand genießen konnte, aber meine Mama konnte bis zu Ihrem 83. Lebensjahr ihren wohlverdienten Ruhestand zu Hause verbringen.

Mein Vater starb auf den Tag genau, 20 Jahre früher, am 30.04. 1996 …“

 

Naja,was dann kam, war nicht mehr wirklich zukunftsweisend: Kaffeestube mit begrenztem lustlosem Angebot, Ausstellungsraum für irgendein Geschäft  aus dem Dorf (keiner weiß mehr so genau, für wen….) ….und irgendwann hat`s dann endgültig keinen mehr interessiert…weder bei den Gästen noch bei der Seilbahngesellschaft als Vermieter.

Trotzdem ging für manchen von uns „Arlberg oldies“ noch heute manchmal der Blick nach rechts, wenn man eine Talfahrt plante und die Gondelstation betrat…..bis dann der Umbau des Jahres 2016 die Erinnerungen endgütig ausgelöscht hat.

As time goes by …..danke für viele schöne Momente und manchen humorvollen Wortwechsel, Traudl Schmittner!

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Ein Gedanke zu „Menschen am Arlberg(3) Traudl Schmittner – die unvergessene Oberlecher Versorgungsstation

  • 19. Juni 2017 um 20:31
    Permalink

    Lieber Ekki,
    ich danke dir sehr herzlich für den schönen Bericht meiner Mama . Ich habe ihn ein paar Mal durchgelesen mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sie würde sich sehr freuen, dass man sie nicht vergessen hat, waren es doch viele Jahre ihres arbeitsreichen Leben, dass sie aber mit viel Freude und Humor gerne gemacht hat. Noch in den letzten Wochen ihres Daseins sagte ich einmal zu ihr, wie du das nur alles geschafft hast und ihre Antwort war, weißt du Gabi, wenn man etwas gerne macht ist es keine Arbeit …..

    Danke Ekki und ganz liebe Grüße aus Bludenz hoffentlich mit einem Wiedersehen im Juli Gabi Rettenbacher

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